
Was für eine schöne Stadt! Erfurt, die Hauptstadt Thüringens. Zum Glück sind wir trotz der Kälte aufgebrochen und zum Glück habe ich mich von einem Blog eines Erfurt-Enthusiasten neugierig machen lassen.
Erfurt ist bezaubernd! Da gibt es einen Linkshänderladen, eine Galerie «Kleinformat» in Fenster-Grösse und eine hinreissende Krämerbrücke mit einem «Eiskrämer» oder eine Backstube, in der gebacken wird wie im Mittelalter. Vor der Tür heisst es: Wenn die Fahne draussen hängt, dann ist offen.
In Erfurt nehme ich das erste Mal verschiedene Touristengruppen wahr. Auf unserer Rundreise sind wir vor allem deutschen Touristen begegnet, ganz selten mal einem holländischen, einem dänischen oder einem französischen Paar. Oft waren wir die einzigen Ausländer auf den Campingplätzen. In Erfurt hören wir brasilianisches Portugiesisch (die Reiseleiterin erläutert einem Kellner, dass sie Deutsch könne, da ihre Grosseltern ausgewandert seien), Schwedisch und einmal glauben wir Italienisch zu hören.
Erfurt erzählt viel zur jüdischen Geschichte in ihrer Stadt. Seit der Wende wird Vergessenes aufgespürt und wieder hervorgeholt. So kann man heute die kleine Synagoge besuchen, die sie in ihren ursprünglichen Zustand rückgebaut haben oder auch die alte Synagoge, die eine ganz besondere Geschichte erzählt. Diese alte Synagoge ist die älteste Europas. Man geht davon aus, dass es diese Synagoge bereits seit 1094 gibt. Der Grund weshalb diese Synagoge noch steht lässt sich geschichtlich erklären. Als um ca. 1350 die Pest ausbrach, gaben die Erfurter den Juden die Schuld und verfolgten sie bereits damals. Hernach wurde die Synagoge als Lagerhaus benutzt und war lange als solche gar nicht mehr kenntlich. Weiter ist auf vielen Strassenschildern ein Hinweis angebracht, wie die Strassen zu Beginn des 19. Jahrhunderts lauteten. Oft standen die Bezeichnungen in Verbindung mit der jüdischen Bevölkerung.
Erfurt besticht durch den grossen Umfang an alter Bausubstanz in sehr gepflegtem Zustand. Patrizierhäuser, Kaufhäuser, Fachwerkhäuser und etliche Kirchtürme sind zu bewundern. Die zuvor erwähnte Krämerbrücke ist eine Brücke, die über die Gera führt. Sie gilt als die längste Brücke Europas, die vollständig mit Wohn- und Krämerläden bebaut ist. Die Brücke war auch eine wichtige Verbindung auf der Ost-West-Handelsstrasse von Kiew über Breslau und Erfurt nach Frankfurt am Main und kann nachweislich bis ins Jahr 1117 zurückdatiert werden.
Ja, und dann entdecke ich in einer Gasse Adam Ries. Ich kenne den Spruch «nach Adam Riese», habe aber nicht realisiert, dass es diesen Herrn effektiv gegeben hat und er selbstredend das älteste Rechenbuch «Rechnung auff der Linihen» verfasst hat. Dieses wurde in Erfurt 1518 gedruckt.
Zum Schluss unseres Stadtrundgangs gönnen wir uns wieder einen ausgezeichneten Kaffee in einem gemütlichen Strassenlokal mit etwas freakigen Gästen. Wir passen inzwischen ganz gut dazu. Von hier haben wir einen ausgezeichneten Blick auf den alles überragenden Dom mit seinem imposanten Aufstieg über 70 Treppenstufen.
Nach Erfurt, da komme ich bestimmt mal wieder hin.