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Ich will los, jetzt, gleich, sofort!
Letzte Woche war das Wetter noch zu unbeständig und in den Alpen liegt auch noch zu viel Schnee für diese Jahreszeit. Erst gerade hat es wieder bis auf 2600 m heruntergeschneit. Zudem habe ich im Juni deutlich mehr gearbeitet als beabsichtigt. Auch das muss besser ins Lot kommen. Ich habe mir vorgenommen, dass mein Projekt «mehr Bewegung im Leben» klarer umgesetzt werden muss und ich das Ziel «von der Quelle bis ans Meer» in Angriff nehme. Ja, das mit der Teilzeit-Frühpensionierung und Teilzeit-Arbeit stimmt zurzeit noch nicht so wie ich es mir vorstelle. Also nichts wie los und mein Projekt, dem Rhein nach zu spüren, in Angriff nehmen.
Nun sind wir tatsächlich unterwegs und sitzen im Zug mit Ziel Surselva vor Augen, gut drei Stunden Fahrt haben wir vor uns, doch der Blitzentscheid am Mittag aufzubrechen fühlt sich erquickend an. Es freut mich ungemein, dass sich mein Mann auf meine sprunghaften Ideen einlässt und mitmacht. Schön ist das! Und weil ich nach einer so langen Fahrt ins Bündnerland nicht gleichentags zurück will, such ich uns noch eine Übernachtungsmöglichkeit und werde für den ersten Abend in Ilanz fündig.
In Versam-Safien steigen wir aus und wandern die Rheinschlucht hinauf, Ilanz entgegen. Der Weg beginnt gleich hinter dem Bahnhof und führt durch wild und zerklüftete Gesteinsformationen sowie eine reich blühende Vegetation. Es blühen bereits die ersten Alpenrosen, aber Margriten hat es auch immer noch. Im Tal sind diese längst verblüht. Nebst anderen Blumen fallen die vielen Kratzdisteln, Schafgarben, flockigen Königskerzen, grossen nesselblättrigen violetten Glockenblumen sowie deren weisse breitblättrige Variante auf.
Munter rauscht der Vorderrhein durch sein Beet, das Wasser milchig türkisfarben, wie es für Schmelzwasser typisch ist. Mir wird fast schwindlig, wenn ich beim Wandern in den Rhein schaue, so schnell fliesst dieser mir entgegen.
Hie und da erläutern Panneaux worauf man achten soll. So erfahre ich, dass am Carreradelta eines der wichtigsten Schweizer Brutgebiete für Flussuferläufer liege, gesehen habe ich leider keinen. Etwas später lerne ich, dass man vom 15. April bis 15. Juli die Inseln und Kiesbänke im Vorderrhein zwischen Valendas und Castrisch nicht betreten soll, da hier Flussregenpfeifer und die vorerwähnten Flussuferläufer, beides gefährdete Vogelarten, brüteten. Gemäss Ausschilderung seien dies in der Schweiz gerade mal noch 80 bis 120 Paare, 50% davon lebten im Kanton Graubünden. Kein Wunder kriegt man diese Vögel selten zu Gesicht. Irgendwo hab ich noch was zu den bodenbrütenden Braunkehlchen gelesen, doch das weiss ich nicht mehr. Habt ihr schon mal eins gesehen? Ich nicht.
Obwohl wir spät aufgebrochen sind, sind die 11 km locker zu schaffen. Es geht mehr oder minder flach gerade aus und die Wege sind gut markiert sowie leicht begehbar. In Castrisch nimmt mein Partner den Zug, während ich die geplante Strecke bis Ilanz weiter abwandere. Wir treffen uns etwa eine halbe Stunde später am Dorfausgang von Ilanz. Da befindet sich der Landgasthof Glenner. Eine freundliche Gastgeberin zeigt uns ein grosszügiges, schön renoviertes Zimmer. Das Wirtepaar hat den Gasthof erst dieses Frühjahr übernommen. Das merkt man und wir können die Lokalität herzlich empfehlen.