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Turin

Wir waren diese Woche gleich mehrmals in Turin. Was für eine schöne, saubere, grosszügige und ruhige Stadt!

 

Zuerst verschaffen wir uns zu Fuss einen Überblick. Das lässt sich in einem Tag gut machen und zu sehen gibt es viel. Wir entdecken prächtige Fussgänger-Passagen, wunderschöne Böden, einen farbenfrohen Blumenladen, mit Blumen aus Papier, täuschend echt, jedoch ohne Duft, einen Tartuffi-Laden voll mit verlockenden piemontesischen Köstlichkeiten, dass ich gar nicht mehr weiss wohin schauen sowie romantische Ecken, riesig lange Häuserfassaden, etliche Kirchen und schwere orange Trams, die mit Stühlen, wie Barhocker bestückt sind. Der Gemüsemarkt, auf den wir stossen, ist enorm. Die Gemüse und Früchte leuchten um die Wette. Hier entdecke ich reife, unbehandelte Oliven, die man selber einlegen könnte. Die ganze Piazza della Repubblica, gesäumt von gedeckten Markthallen, ist mit Ständen vollgestellt. Soviel frisches Gemüse habe ich nirgends in den Läden gesehen.

Durch das stundenlange durch die Stadt-Wandern, werden wir hungrig. Es ist toll, dass in Turin selbst um 14.00 Uhr die Küchen noch offen sind. Fast versteckt finden wir ein kleines Restaurant (il Bacaro), das Baccalao-Mousse auf weisser Polenta serviert. Als wir vor ein paar Jahren in Norwegen waren, hatten sie darauf hingewiesen, dass ein Grossteil des Kabeljau-Fischfangs nach Italien verschifft würde. Klar, dass wir das jetzt probieren wollen. Ausgezeichnet! Mit einem Glas lokalem Wein, einfach perfekt und gerade richtig in der Menge.

Turin ist die viertgrösste Stadt Italiens und trotz den gut zwei Millionen Bewohnern (inkl. Agglomeration) weder hektisch noch vollgestopft. Im Gegenteil, es geht eine gewisse Ruhe von ihr aus, vermutlich durch die langen Fassaden und die grosszügige Architektur sowie verschiedener Grünflächen? Selbst bei Demos geht es gesittet zu und her. Das vorausgehende und vorausfahrende Polizeicorps war beinahe so zahlreich, wie die Demonstranten selber.

 

Zweifelsfrei wurde die Stadt durch die Industrialisierung und die Automobilindustrie

geprägt. Schade, dass wir die Fiat-Werke nicht besuchen können. Daher weichen wir auf das Museo Automobile aus und besuchen später auch das Lingotto. Lingotto ist ein treffender Begriff für das riesige Fiat-Verwaltungsgebäude, das in ein Kongress- und Einkaufscenter umgestaltet wurde. Auf dem Dach des Lingotto befindet sich übrigens eine Teststrecke, die besichtigt werden kann. Leider sind gerade Werbeaufnahmen im Gange und der Zugang für uns gesperrt. 

 

Turin war einmal Hauptstadt des Königreichs Savoyen und Piemont, das von König Karl Albert (1798 – 1849) regiert wurde. Die Piazza Reale, die königlichen Gärten und der Palast zeugen von dieser Ära. Unglaublich, wieviel Gold hier verarbeitet wurde und welche Formen und Figuren ausgearbeitet wurden. Dass die Kastendecken mit Rosenmotiv aus Papiermaché sein sollen, hat mich bass erstaunt. Langen Fluchten entlang reiht sich ein Prunkzimmer an das andere. Im Palast befindet sich auch die Capella della Sindone mit einer einzigartigen Steinkuppel und besonderen Böden. Sie hat mich mit ihrem Bau und Struktur beeindruckt. Bei Renovationsarbeiten 1997 wurde sie durch einen Brand leider erheblich beschädigt. Gleich hinter dem Piazza Reale befindet sich der Dom. Dort wird das Grabtuch, das ein Ganzkörperbildnis von Jesus von Nazareth abbilden soll, in einem Schrein aufbewahrt. Sowohl den Dom als auch

den Königspalast kann ich wärmstens empfehlen.

In Turin gibt es zig Museen. Wir entscheiden uns für die oben erwähnten Sehenswürdigkeiten sowie den Glas-Lift in der Mole Antonelliana, der auf eine Aussichtsplattform hochgleitet und die Sicht über die Stadt freigibt. Die Sicht ist prächtig und der Lift ein Erlebnis. Er schwebt frei bis in die Kuppel der Mole hoch. Der Aufstieg ist ganz witzig, da man auf die Wände des Kino-Museums sieht und so über mehrere Etagen hochfährt.

Mir hat Turin bestens gefallen. Sie ist keine pompöse oder ausgesprochen attraktive Stadt, aber die Mentalität, die Nischen, die Architektur des Städtebaus und die piemontesischen Spezialitäten wie das Vitello Tonnato, der cremige Robiola-Frischkäse oder die verführerischen Tartuffi, sind einfach grossartig.

 

Doch, auch Armut sieht man. Es sind nicht unbedingt Obdachlose, wie ich sie von anderen Städten kenne, aber Menschen, die ungefragt Autofahrern Parkplätze zuweisen und auf einen Euro hoffen oder Menschen, die beim Lachen noch zwei Zähne frei geben.

 

Ja, und die Römer waren natürlich auch in dieser Stadt. So zeugen die Überreste der Porta Palatina von Cäsars Spuren in Turin. Die beschriebenen Orte kann man in einer gemütlichen Rundtour besichtigen.