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Turteltaube in Not

Was für ein eigentümlicher weisslicher Ring auf der Fensterscheibe. Etwas Flaum klebt daran. Heftig muss der Aufprall gewesen sein, man kann einen ausgefahrenen Flügel erahnen. Einen Vogel sehe ich nirgends.

 

Am späteren Nachmittag macht mich Werner auf einen wunderschönen Vogel auf unserem Balkon aufmerksam. So eine Taube haben wir noch nie gesehen. Sie spaziert langsam vor und hält einen Flügel dabei leicht angewinkelt.

 

Ich hole ihr etwas Wasser vom Brunnen im Garten, da wo wir oft Vögel beobachten. Langsam und leise taste ich mich auf den Balkon, erschrecke die Taube aber offenbar doch. Sie läuft rasch übers Eck, zwischen den Stäben hindurch, setzt zum Flug an und stürzt ab ins Gras. Oh nein!

 

Unten wollen wir sie wieder einfangen. Es hat einfach viel zu viele Katzen im Quartier. Doch erst als ich ein Stück Stoff über sie werfe, hört sie auf zu flattern und sitzt ruhig, worauf Werner sie sachte hochheben und zurück auf den Balkon bringen kann. Ich hole rasch eine Schachtel, damit sie sich in den Schatten zurückziehen kann. Das Wasser steht bereit.

 

Als wir etwas später nach ihr schauen, steht sie auf dem Beckenrand. Sicher hat sie Hunger, denke ich, weshalb ich ihr vom Winter übrig gebliebenes Vogelfutter hole. Die Taube beobachtet erst und obwohl ich mehr Abstand halte als beim ersten Mal, setzt sie wieder zum Flug an und stürzt gleich nochmals über den Balkonrand ab. Wir holen sie wieder hoch und wünschen ihr gute Erholung.

 

All meine Versuche, an diesem Pfingstmontag eine Vogelstation zu erreichen, scheitern. Eine lange Nacht folgt mit Bangen und Hoffen, dass es der Turteltaube, ich habe das inzwischen dank meiner Kosmos App herausgefunden, auch gut gehen möge und sie die Nacht überstehe.

 

Am nächsten Morgen sitzt sie noch immer in der Schachtel, hat das Futter nicht angerührt, sieht aber wach und soweit ok aus. Erleichtert schildere ich dem Herrn der Vogelvoliere Olten die Situation. Wir sollen die Taube vorbeibringen. Dort wird «unsere» Turteltaube sofort und professionell versorgt. Die Flügel sind beide intakt, nichts gebrochen. Vermutlich gestaucht. Sie erhält ein Schmerzmittel und Wasser mit einer Spritze gleich in den Rachen gespritzt.

 

Sie hätten aktuell viele Vögel, meint man auf der Station. Jungvögel, die aus dem Nest gefallen sind, dehydrierte oder erschöpfte Zugvögel, Vögel, die Mühe haben mit dem Wetterwechsel und welche wie unsere, die in ein Fenster flogen oder von Katzen attackiert wurden. Von April bis Ende August hätten sie Hochsaison, danach werde es wieder ruhiger.

 

Froh machen wir uns auf den Rückweg und hoffen, dass die Turteltaube bald davonfliegen kann.

 

Herzlichen Dank nach Olten!